Der schottische Schriftsteller Robert Louis Stevenson (1850-1894) ist unter anderem für seine Grusel- und Schauergeschichten wie „Dr. Jekyll und Mister Hide“, aber auch den Jugendroman „Die Schatzinsel“ bekannt. Erste Skizzen für diesen Roman stammen aus den Jahren 1880/81.
Hinreißend hat Anne Distler (Regie) dieses Werk mit einer neuen Inszenierung in die Gegenwart geholt und mit dem Unter- und Mittelstufentheater am 18./19. Juni 2024 in der Aula des Graf-Rasso-Gymnasiums präsentiert. Man merkte, dass die Schülerinnen und Schüler seit Anfang des Schuljahres und intensiv natürlich am letzten Wochenende für die Aufführung geprobt hatten. (Man vergisst leicht, wie viel Arbeit dahintersteckt!) Unterstützt vom Unterstufenchor und den routinierten Technikern bot sich ein großartiges Spektakel.
Weil Bill Bones (Isabell Schwirkmann, die mit ihrer gut verständlichen Aussprache und hervorragenden schauspielerischen Leistung überzeugte) anfangs davon abgehalten werden kann, ein Buch („Die Schatzinsel“?) zu verbrennen, kann das Stück beginnen. Nach dem Zusammentreffen mit dem Schwarzen Hund stirbt Bones, kann aber gerade noch eine Schatzkarte von Captain Flint weiterreichen. Sogleich begibt man sich auf die Suche und stellt eine Mannschaft in prächtigen und liebevoll gestalteten Kostümen zusammen. Als Gegenspielerinnen der Besatzung um Käpt’n Smollett (gelungen: Julius Fiebig) sind bald Piratinnen um die zwielichtige Jane Silver (im Duo überzeugend gespielt von Magdalena Öfele und Lena Oldekop) ausgemacht. Und natürlich treten sie zu harten Beats und in Choreo laufstegartig auf. Dies ist übrigens nicht das einzige Mal, dass die Distler’sche Inszenierung die Handlung mit Zeitbezügen und Verweisen bricht: So lehnt Bones ein Essen mit der Bemerkung „Das ist doch was für Veganer!“ ab und Smollet beschwert sich, dass immer Piratenlieder gesungen werden. Am innigsten freilich wirkte die „Titanic“-Szene mit einer rührenden Gesangseinlage von Santiago Corona-Gonzaléz („My Heart will go on“). – Nach der Landung auf einer Insel (wunderbar: die Insel- und Affengeräusche des Unterstufenchors) verläuft sich Jim Hawkins (Paul Huber) und trifft auf den eigenartigen „Hippie“ Ben Gunn (Florian Öfele, roter langer Bart, Kaffeesack), der am liebsten Bäume umarmt, was ihn zum Publikumsliebling werden lässt, und bei der Schatzsuche behilflich ist. Dort kommt es zum Konflikt zwischen Silver und Smollet, wobei eine erste Kampfszene (Antikriegsplakat: „Frieden schaffen ohne Waffen“) nur eine vorläufige Entscheidung bringt.
Unterstützt vom Unterstufenchor (u.a. mit dem Shanty „Soon may the Wellerman come“), einem live gespielten Klavier (Fr. Braun) oder a capella-Einlagen zur „Mad World“ (Silvie Rauschkolb) ergab sich aus dem Wechsel und Massen- und Kleinszenen, der zahlreichen Anspielungen und dem einfallsreichen Bühnenbild unter Mithilfe der erfahrenen Techniker (Licht und Ton) ein opulentes Spektakel, das das Publikum mit Szenenapplaus beantwortete.
Matthias Schulze