So wollen wir sie in Erinnerung behalten, unsere molwanischen Freunde: mit beiden Beinen auf dem Boden und im Leben stehend und den Blick in die Ferne schweifend. Die Klasse 11b des GRG traf die orientierungs- und hilflose, aber recht disziplinierte Reisegruppe in der S-Bahn auf dem Weg zur Bundesgartenschau 2005. Wie der Besuch der BuGa für unsere molwanischen Gäste zum unvergesslichen Erlebnis wurde, zeigen die Bilder dieses Beitrags.
Die enge Verbundenheit Molwaniens mit Großbritannien hat tiefe Spuren im Alltagsverhalten des Molwaniers hinterlassen. Molwanische Reisegruppen stehen am liebsten in einer Schlange, wie etwa hier am S-Bahnhof Trudering, dem Umsteigebahnhof zur BuGa.
Für Molwanier eine echte Sehenswürdigkeit: eine Rolltreppe auf- und abwärts ist praktisch der Technik gewordene molwanische Traum von Geselligkeit, die personifizierte Endlosschlange, die sowohl erhebende als auch tiefgehende Gedanken in äußere Bewegung überträgt. Kein Wunder, dass dieses mechanische Meisterwerk für erheblichen Gesprächsbedarf unter unseren Gästen sorgte. Ihre Bewunderung erregte auf der anderen Seite ebenfalls erhebliches Aufsehen. Neugierige Passanten wandten sich an die Schüler der 11b, um eine Erklärung für die fremdartig wirkende Reisegruppe zu erhalten.
Um die Angelegenheit nicht unnötig zu komplizieren erklärten wir, dass es sich um die arbeitslosen Absolventen einer molwanischen Filmakademie handele, die eigentlich vorgehabt hätten einen Film über den Grand Canyon zu drehen. Dieser sei aber aus Kostengründen nicht zu realisieren gewesen, weswegen jetzt ein molwanisches Photoprojekt verwirklicht werde.
Die Aufnahme zeigt eine Szene von einiger Delikatesse. Der freundliche Herr im Hintergrund links, war erst nach einer halbstündigen Diskussion von der Harmlosigkeit der molwanischen Besucher überzeugt. Erst der zinkfarbene, graue Herr an der Spitze der molwanischen Schlange konnte alle Bedenken des Sicherheitspersonals der BuGa zerstreuen. War das Misstrauen zunächst unübersehbar, die Freundlichkeit eines Gratisbesuchs für unsere mittellosen Molwanier war es ebenfalls.
Tippkick ist eigentlich der molwanische Nationalsport. Wir hatten große Mühe die Reisegruppe weiterzulotsen. Ein ums andere Mal waren molwanische Ausrufe höchster Freude zu vernehmen. Einige Reiseteilnehmer wollten sogar engste Verwandte in den Tippkickspielern wiedererkannt haben und vermochten diesen nicht mehr von der Seite weichen. Schließlich siegte aber doch die Neugier auf die zahlreichen weiteren Attraktionen der Bundesgartenschau.
Ganz wie zuhause fühlten sich unsere molwanischen Gäste in diesem typischen Garten ihres Heimatlandes, der einen japanischen Einfluss jedoch nicht verleugnen kann. Gärten in Molwanien dienen prinzipiell der Repräsentation, die jedoch mittels raffinierten kommunikativen Konzepten (“Ich seh’ etwas, was du nicht siehst!”) immer wieder neue Seherfahrungen ermöglichen.
Blick in ein molwanisches Gartendampfbad: Es gibt eine Ausnahme von der Regel, was die Vorliebe der Molwanier für das Schlangestehen angeht, nämlich die gesellige Runde im Dampfbad, das prinzipiell in voller Bekleidung genommen wird, um sich vor Feuchtigkeit zu schützen.
Die Ähnlichkeit mit einer alkoholisierten, fidelen Rentnertruppe ist nicht zufällig. In einem der Zellengärten bot sich ein betoniertes Labyrinth, das genau den Geschmack der Gäste traf. Keine überflüssigen Blumen oder salatartigen Grüngewächse, nur ehrlicher Beton, ein pflegeleichter Garten molwanischen Typs also, in dem die Besucher die Hauptsache sind, sprach die Molwanier besonders an.
Die Installation eines Riesennestes konnte unsere Gäste nur wenig beeindrucken. Schließlich ist Molwanien die Heimat zahlreicher Riesentiere mit ebensolchen Nestern. Der Höflichkeit halber und mit respektvoller Distanz bestaunten sie das Landart-Werk aber doch. Rechts im Bild einer der entlaufenen Komparsen des leider frühzeitig verstorbenen Grand-Canyon-Filmprojekts. Als Trostpreis nach dem Scheitern des Projekts durfte der Statist seinen Cowboyhut behalten. Frau Hanneskanne hält unterdessen nach einem gutaussehenden, wohlhabenden Münchener Rentner Ausschau.
Viele Molwanier hängen bis heute der Vorstellung an, der Planet Erde sei in Wirklichkeit nicht eine Scheibe, sondern ein Ei. Ihre Pose auf dem Ei, als Touristen tausende Kilometer von der Heimat entfernt, erschien ihnen als ein schönes Sinnbild der Globalisierung. Dass dieses Bild eine erhebliche Schieflage aufweist, stellt für Molwanier kein Problem dar, es gehört sich ja so.
Den schlangengewohnten Molwaniern steht die Unsicherheit ins Gesicht geschrieben. Unordentlich aneinandergedrängt lassen die Ärmsten sich in ungewohntem Element ablichten. Insbesondere Frau Hannekanne machte ihrer Empörung anschließend Luft. Man habe sich wie auf einem Flüchtlingsschiff gefühlt. Ihre MItreisenden lachten wieder einmal über die feine Dame – wenn auch etwas gequält.
Zum Dank für ihre gastfreundliche Führung durch die BuGa ehrte die molwanische Reisegruppe die Klasse 11b mit einer besonderen gesellschaftlichen Zeremonie , die in der volkskundlichen Literatur als “Der große Bogus” bekannt ist. Die Teilnehmer bilden hierzu einen Kreis, um dann gemeinsam in einen möglichst sinnfreien Gesang einzustimmen, der sowohl einschüchternd als auch erhaben wirkt. Die Klasse 11b fühlte sich dementsprechend geschmeichelt.
Mit scheinbar großem Interesse verfolgten die Molwanier eine Darbietung der Percussion-Gruppe des Michaeli-Gymnasiums in München. Selbst die große Hitze konnte sie nicht davon abhalten Plätze in den vorderen Reihen einzunehmen. Die gelungene Darbietung der Münchener Bildungskollegen fand leider vor einem viel zu kleinen Publikum statt. Den begleitenden Lehrkräften ist das ein Trost: wenn man wirklich etwas Außerordentliches präsentieren kann, guckt wieder keiner. Es geht also auch anderen so.
Ein zweiter Blick auf die männlichen molwanischen Besucher verrät allerdings, dass es wohl auch die jungen Damen waren, deretwegen man so geräuschvoll in der Nähe der Bühne Platz genommen hatte. Annäherungsversuche scheiterten leider an der Sprachbarriere und der bekannten Schüchternheit der molwanischen Jugend. Der enthauptete Herr oben links versucht im Übrigen gerade seiner Aufsichtspflicht nachzukommen und Frau Hanneskanne wendet sich wieder einmal entrüstet von ihren Landsleuten ab.
Photographieren ist für Molwanier mit erheblichem Aufwand verbunden, nicht nur seilt man sich zu diesem Zweck am Stativ an, mann muss die Kamera auch noch über Kopf halten, um eine gute Figur abzugeben.
Kaum Probleme hatte dieser türkische Dienstleister mit den exotischen Besuchern der BuGa. Routiniert und mit einer sonst in München kaum anzutreffenden Höflichkeit nimmt er die ausgefallenen Sonderwünsche von Frau Hanneskanne entgegen. Die etwas launische Dame war dann wenigstens ein einziges Mal zufrieden.
Stolz präsentieren sich unsere molwanischen Gäste zum Abschluss ihres BuGa-Besuchs vor dem Wappentier ihres Heimatlandes, einem überdimensionalen Moskito. Wie die Veranstalter der Bundesgartenschau auf die freundliche Idee kamen, ausgerechnet recht seltene Gäste aus Molwanien mit dieser Installation zu ehren, war aus Zeitgründen nicht mehr zu erfahren.
Photos: Klasse 11c und D.Zink, Text und Redaktion: D.Zink 2/7/06