Abiturrede 2005

„Abikalypse – das Ende aller Plage“. Vielleicht nicht wirklich aller, aber uns frisch gebackenen Abiturienten kommt es natürlich so vor. Ob uns wirklich eine schöne neue Welt erwartet, muss sich erst noch herausstellen.

„Abikalypse – das Ende ist nah“ haben wir vor ein paar Monaten gefeiert. Aber ist es wirklich ein Ende? Nicht vielleicht eher ein Neuanfang?
„Abikalypse – der Anfang vom Ende“. Als dieser Ausspruch vor zwei Jahren entstand, konnten wir uns nicht im entferntesten vorstellen, wie dieses Ende aussehen würde.
„Abikalypse – nach uns der Neubau“. Nun stehen wir also da mit der endgültigen Fassung des Mottos – und mit unserem Abitur in der Tasche. Geschafft haben wir es alle und auch die vielen verschiedenen Aktionen, die von der Tradition in Verbindung mit dem Abitur gefordert werden, haben wir hinter uns gebracht: Abifahrt, Abizeitung, Abistreich und eben auch die Wahl unseres Abimottos. Warum wir uns für den letzten der Untertitel entschieden haben, obwohl der Neubau vorerst gar nicht verwirklicht wird, wurden wir in letzter Zeit immer wieder gefragt – zwischenzeitlich haben wir sogar selbst mit dem Gedanken gespielt ein Fragezeichen hinter den Neubau zu setzen. Das fanden wir jedoch nicht notwendig, denn zum einen heißt „nach uns“ nur irgendwann nach uns, egal ob in fünf oder fünfzig Jahren, zum anderen drückt der Satz noch viel mehr aus, als nur das „nach uns“ in seiner wörtlichen Bedeutung.

„Nach uns der Neubau“ – wir haben unser Abi. Ob ein Neubau kommt oder nicht, uns betrifft es nicht mehr.
„Nach uns der Neubau“ – wir sind weg. Wir werden weder den Baulärm von Renovierungsarbeiten noch die Nachteile eines neuen Standortes erleben.
„Nach uns der Neubau“ – uns kanns egal sein. „Zum Glück“ muss man fast sagen, wenn man sich den Verlauf der bisherigen Diskussion anschaut. Da könnte man fast Mitleid haben mit denen, die es noch zu interessieren hat, aber für Mitleid ist am heutigen Tag keine Zeit und zudem haben auch wir jahrelang den grotesken Charme erlebt, den diese ansonsten eher bedauernswerte Situation in sich trägt. Hier und da bröckelte immer wieder mal das eine oder andere Stück Farbe oder Putz von den Wänden, wenn man etwas zu fest dagegenstieß, doch ein schlechtes Gewissen hatte deswegen wohl keiner von uns: „Nach uns der Neubau“ – dieses Schulhaus müssen wir nicht mehr schonen.

Nur leider schien sich das Klima der Schule ein Beispiel an ihrem baulichen Zustand zu nehmen und begann ebenfalls vor sich hin zu bröckeln. Vielleicht liegt es daran, dass man in der Unterstufe viele Dinge noch nicht so gut mitkriegt und stets versucht ist, seine eigene Schule als die beste anzusehen, aber zumindest ging aus unserer Sicht das Stimmungshoch der 50-Jahr-Feier allzu schnell vorüber und wich dem Tief der Neubau-Debatte.
Vielleicht hat es etwas mit der räumlichen Enge zu tun – zunächst in den Klassenzimmern, dann im Pausenhof. Von selber wird der Platz schließlich nicht mehr, solange man nicht an den Stadtrand ausweicht – oder einfach den Deal mit dem benachbarten Sparkassen-Grund auf die Reihe kriegen würde.
Vielleicht tut es dem Klima auch Abbruch, wenn jeder genau weiß, dass anstehende Renovierungen nur deshalb nicht ausgeführt werden, weil ja sowieso bald der Neubau kommt. Gleichzeitig verschob sich dieses „bald“ immer weiter nach hinten. Die einzige Möglichkeit, sich als Schüler davon nicht die Stimmung verderben zu lassen, war, eine gewisse Gleichgültigkeit zu entwickeln und festzustellen, dass man den Neubau selbst sowieso nicht mehr erleben würde – nach uns der Neubau.

So stellte sich zumindest innerhalb unserer Stufe ein recht angenehmes Klima ein, was bei einer Masse von siebzig Leuten nicht unbedingt selbstverständlich ist. Aktionen, bei denen wirklich fast die gesamte Stufe dabei war – wie zum Beispiel das Kollegstufenzimmer-Kickerturnier oder die Stufenparties – blieben zwar Einzelfälle, aber dennoch hat man sich in diesem bunten Haufen nie unwohl gefühlt. Auch das Verhältnis zu den Lehrern hat sich zu Beginn der Kollegstufe schlagartig verbessert. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren stellte sich eine beinahe gleichberechtigte Zusammenarbeit ein und es wurde nicht nur die Autorität der Lehrer von uns, sondern auch unsere Reife von ihnen anerkannt. „Endlich“ muss man in beiden Fällen sagen. Diese Basis ermöglichte neben einem konstruktiven Unterricht auch außerschulische Aktivitäten wie Kurstreffen und Kursfahrten. Entsprechend war auch das Verhältnis zu unserem Kollegstufenbetreuer Herrn Benker zweifellos ein freundschaftliches und wir erhielten von ihm immer die nötige Unterstützung.

Aber natürlich war die Kollegstufe nicht immer nur eitel Sonnenschein. Enttäuschungen über schlechte Noten oder Auseinandersetzungen mit einzelnen Lehrkräften gehören zum Schulalltag wohl einfach dazu. Als alltäglich kann man jedoch nicht den Schlag bezeichnen, der uns zu Beginn der dreizehnten Klasse ereilte. Für viele von uns, bedeutet das Abitur den Abschied voneinander, doch von einem Mitschüler mussten wir uns schon vorzeitig und vor allem endgültiger verabschieden. Gerade bei einem Anlass wie dem heutigen ist der Name Chrissi natürlich besonders präsent. Aber diese Erinnerungen an ihn sind inzwischen nicht mehr ausschließlich mit Trauer verbunden, sondern sie bringen gleichzeitig die Gewissheit, dass er in unseren Gedanken weiterlebt und wir uns somit nicht völlig von ihm verabschieden mussten.

Was im Rahmen einer Abiturfeier oft vergessen wird, ist, dass unsere Schulzeit mehr war als nur die beiden Jahre Kollegstufe. Es gab auch eine Zeit, in der die Abikalypse noch so etwas wie eine Prophezeihung war, an die keiner so recht glauben konnte und wollte.
Eine Zeit, in der der Schulalltag noch nicht aus Ks und Hürden, sondern aus Wasserpistolen und U-Hackerln bestand.
Eine Zeit, an die man heute nur noch mit einem etwas unwirklichen Gefühl zurückdenken kann. Die Schwamm- und Zeitungsschlachten erscheinen uns nun so entfernt, wie es uns damals das Abitur erschien.
Die damals unheimlich aufregende Übernachtung in Gelbenholzen ist gegenüber den Fahrten in fremde Länder längst verblasst.
Die vermeintlich unlösbaren Probleme, die einem seinerzeit manche Aufgaben bereiteten, kann man angesichts der nun bestandenen Prüfungen gar nicht mehr nachvollziehen. Um einiges leichter fällt da die Erinnerung an einschneidende Ereignisse, die auf das Schulleben der letzten neun Jahre wesentlichen Einfluss hatten.
Die 50-Jahr-Feier zum Beispiel.
Oder der Modellversuch Europäisches Gymnasium.
Der Wechsel der Sachaufwandsträgerschaft von der Stadt zum Landkreis.
Der Bau des Pavillons.
Die neue Schulleiterin.
Und nun die Einführung des G8.
Dieser kurze Rückblick hat eine ganze Reihe von Ereignissen gezeigt, die – manche mehr, manche weniger – sowohl die Schule als auch uns in den letzten neun Jahren mitgeprägt und verändert haben.

Später beim Buffet werden Lehrer und Freunde, Eltern und Großelten, Onkel und Tanten auf uns zu kommen und uns immer wieder erzählen, wie sehr wir uns doch in den letzten neun Jahren verändert haben. Ja, natürlich haben wir das, aber gleichzeitig können wir auch auf neun Jahre zurückschauen, in denen sich unsere Schule genauso stark gewandelt hat.

Was wir denn nun als nächstes vorhaben, werden wir heute abend wohl ebenfalls einige Male gefragt werden. Pläne haben wir sicher alle, inwiefern wir sie dann auch in die Tat umsetzen können, bleibt noch abzuwarten. Vielleicht verbindet uns gerade das ein bisschen mit unserer Schule.

Christoph Hellings & Nina Rüttermann


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