Ausstellung über Elias Canetti

Das Jahrhundert an der Gurgel packen

Der Roman „Die Blendung“. Noch nie gehört? Elias Canetti. Unbekannt? Mangel an Bildung würden nun sofort einige Kulturjournalisten attestieren und frohlocken, dass Elias Canettis Roman „Die Blendung“ zum Kanon der deutschen Literatur gehöre.

Ausgerechnet zum Deutschen. Als Kind hätte Elias Canetti das wohl geärgert: Deutsch war die „Zaubersprache“ der jüdischen Eltern. Alles was die Kinder nicht verstehen sollten wurde nicht auf Bulgarisch oder Spaniolisch, sondern auf Deutsch gesagt.

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Die Methode, mit welcher Canetti nach dem Tod des Vaters der geheimen Sprache mächtig wurde, eher brachial: Die Mutter sagt ihm Sätze auf Deutsch vor, erklärt dann auf Englisch die Bedeutung. Danach ist den ganzen Tag eigenständige Wiederholung im Kopf angesagt um für die Abfrage am nächsten Tag gewappnet zu sein und sich dabei die Klagen der Mutter anhören zu müssen: „Ich habe einen Idioten zum Sohn.“

Immerhin war Elias Canetti nicht idiotisch genug, sich schon als jünger Schüler an einem Mädchenpensionat so richtig von den Frauen verwöhnen zu lassen. Es hat ihm dort gefallen, dem „kleinen Prinz“; nur von Frauen und Büchern umgeben. Wenn man seine zahlreichen Affären betrachtet, die Elias Canetti später zu führen pflegte, könnte man durchaus sagen, dass ihn diese Zeit irgendwie geprägt hat.

So sagte einmal eine Freundin über ihn „Es sei, als könnte er einem die Schädeldecke abnehmen und hineinschauen.“ Früh übt sich, was einmal ein Frauenversteher werden will.

Doch auch nachdem die roten Lebenssäulen mit Elias Canettis Biographie abgehakt sind, taucht in dem Teil der Ausstellung, die sich mit den Werken Canettis beschäftigt, das Thema Deutsch aus seiner Kindheit wieder auf: Er wählte es als seine Werkssprache, unter anderem aus Protest gegen die Nationalsozialisten, die ihm zwar Deutschland wegnehmen konnten, aber nicht die Sprache. Auch eine Art Widerstand gegen das Regime.

Als er 1981 die Nachricht im Radio hört, dass er den Literatur- Nobelpreis erhält, schreibt er mit einem seiner 40 gespitzten und ständig auf dem Schreibtisch bereit liegenden Bleistifte folgenden Satz: „Ich möchte in Stockholm die Rede gegen den Tod halten. Es soll die Rede meines Lebens sein.“

 „Aber ich werde sie nicht halten“ steht am nächsten Tag darunter gekritzelt.

Elias Canetti- ein Mann zwischen dem Anspruch perfekt zu sein und der eigenen Blockade ihn zu erfüllen. Doch eine Sache, die hat er perfekt inszeniert: sich selbst. Seine Tagebücher dürfen erst 2024 veröffentlicht werden, das wollte er so. Mal sehen, was wir in der Zukunft Spannendes aus dem Jenseits hören werden.

Franziska Ernst, K13


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