Ich wurde oft gefragt, vor allem vor meinem Jahr an einer Highschool in den USA, warum ich das machen will. Warum alles aufgeben, was man hier im schönen Bayern hat und stattdessen ein Jahr in die Vereinigten Staaten gehen, ein Land, in dem jeder ein Bush-Anhänger ist, es nur Fast-Food-Restaurants gibt und sich niemand für den Rest der Welt interessiert? Als Antworten gab ich meistens, dass ich etwas „Neues” sehen oder dass ich „aus dem normalen Trott” heraus wollte. Aber wirklich befriedigt haben diese Antworten niemand, auch mich nicht. Trotzdem war ich fest entschlossen mich auf dieses Abenteuer einzulassen.
Gezweifelt habe ich an meinem Plan nur, als ich mehrere Formulare, jedes mit knapp zehn Seiten, ausfüllen musste, um das Visum für die Staaten zu bekommen. Der nächste Schritt in Richtung USA war die Entscheidung für eines der zwei bekannten Austauschsysteme. Entweder kann man ein Jahr in einer Familie leben, irgendwo in den USA, und dann an die örtliche Highschool gehen. Das andere System ist, sich direkt an einem privaten Internat zu bewerben und dann eben dort zur Schule zu gehen. Ich entschied mich für ein Internat, da ich erstens gerne mitbestimmen wollte, wo ich hinkomme. Zweitens bieten die privaten Schulen, anders als manchmal in Deutschland, die viel bessere Schulbildung. Beworben habe ich mich an mehreren Schulen an der Ostküste, meine Wahl fiel dann auf die Western Reserve Academy im Bundesstaat Ohio, südlich von Cleveland.
Vier Wochen Sommerferien bis zum Schuljahrstart in den USA
Mein Schuljahr begann Anfang September, also ein bisschen früher als in Bayern. Am Anfang war alles natürlich sehr neu, man kannte keinen, und Schule auf Englisch war auch nicht unbedingt einfach… Ich erinnere mich noch gut an meine erste Chemiestunde auf, in der wir beschreiben sollten, was alles beim Abbrennen einer Kerze passiert. Was sich ziemlich einfach anhört, ist auf Englisch allerdings ziemlich schwer, vor allem fallen einem im entscheidenden Moment natürlich nie die richtigen Wörter ein.
Sport als Eintrittskarte in teure Colleges
Die Amerikaner allgemein sind extrem sportverrückt. Das merkt man zum einen daran, dass es ungefähr zehn Fernsehsender gibt wo man 24/7 (sprich: 24 Stunden alle sieben Tage der Woche) Sport anschauen kann. Und es reicht den Amerikanern auch nicht, für jeden Sport, vor allem natürlich Football und Basketball, eine Liga zu haben, die jeder anschaut. Die Amerikaner haben zwei. Es gibt einmal die Profi-Liga, vergleichbar mit der deutschen Fußball-Bundesliga, aber natürlich nicht für Fußball. Und dann gibt es noch die College Liga, bei der die jeweils besten College-Teams gegeneinander spielen. Diese Teams sind mit Amateurteams vergleichbar, die auf einem sehr hohen Level spielen. Die gesamte Highschool dient eigentlich auch nur dazu, in ein gutes College zu kommen. Und dabei kann der Sport durchaus helfen. Anders als in Deutschland, wo Sport zwar viel Spaß, aber wenig Nutzen bringt, sichern sich viele schulisch weniger Begabte, aber sportlich starke Schüler Stipendien für große Colleges in den Vereinigten Staaten. Ohne diese Stipendien könnten sie sich oft die extrem hohen Collegegebühren nicht leisten.
Dass der Sport in den USA eine sehr große Rolle spielt, sieht man auch an meiner Schule. Unter der Woche haben wir jeden Tag Training, am Wochenende Spiele. Der Sport ist aufgeteilt in drei Seasons, Herbst, Winter und Frühling mit jeweils wechselnden Sportangeboten. Die Anlagen waren fantastisch, mehrere Hallen, jede Schule hatte ihr eigenes Leichathletik und bzw. oder Footballstadion. Auch sozial hat der Sport eine große Bedeutung: Diejenigen, die gut im Sport sind, sind auch bei allen angesehen, viel mehr noch als die, die gut in der Schule sind. Bei uns sind dies vor allem Football- und Lacrosse-Spieler. Überhaupt ist das in Deutschland weitgehend unbekannte Lacrosse die wichtigste Sportart bei uns in „Reserve”. Viele Kanadier, die mit hohen Stipendien unterstützt werden, kommen extra zum Lacrosse spielen dorthin.
Abschreiben, wenn der Lehrer nicht hinschaut : Undenkbar!
Etwas anderes, das mir und den sieben anderen Deutschen an der Schule sofort auffiel, ist das Verhalten der Lehrer, vor allem bei Tests. Die Lehrer haben kein Problem damit, eine Klasse während einer Schulaufgabe allein zu lassen. Was in Deutschland undenkbar wäre, ist dort allgemein üblich. Das Erstaunliche aber ist, dass kein Schüler versucht, dies auszunutzen. Niemand würde es wagen, auch nur einen Blick auf das Blatt des Nachbarn zu werfen. Es kommt sogar durchaus vor, dass andere Schüler von ihren Mitschülern verpetzt werden, weil sie abgeschrieben haben…
Auch die Tatsache, dass die Lehrer alle fußläufig wohnen und einem ständig Hilfe angeboten wird, ist in Deutschland undenkbar. Als ich Mitte des Jahres in Mathe kleine Probleme hatte, da die Amerikaner über tieferes Wissen auf dem Gebiet verfügen, bot mir der Lehrer an am Abend zu ihm zu kommen, um es zusammen zu lernen. Diese Erfahrung war völlig neu für mich, doch es war gut zu wissen, dass der Lehrer daran interessiert ist, dass der Schüler gute Noten schreibt.
Das Maß aller Dinge: The American Way
Etwas, das wirklich nervt, wenn man in den USA lebt, ist, dass sie alles auf ihre Art machen müssen. Vor allem jegliche Längenmaße und Temperaturangaben. Ich weiß auch, dass Fahrenheit ein Deutscher war, aber wo bleibt der Sinn dahinter, dass der Nullpunkt seiner Temperaturskala die niedrigste Temperatur ist, die an einem kalten Wintertag eines bestimmten Jahres in Danzig gemessen wurde? Und auch die Längenmaße sind eine Sache für sich. Warum sind zwölf „inch” gerade ein „foot”? Und warum wieder gerade drei „foot” ein „yard”? Nur gut, dass wenigstens die amerikanischen Naturwissenschaftler diese Umständlichkeit schon aufgegeben haben und das metrische System benutzen… Denn auch jeder andere Amerikaner, den man fragt, sagt einem, dass es im Grunde vollkommen unsinnig ist.
Und auch nicht jeder Amerikaner ist ein Bush-Anhänger. Ich weiß nicht, wie oft ich gehört habe, wie unbeliebt Bush ist und dass nur jeder ihn abgewählt haben will. Und auch andere Vorurteile haben sich nicht unbedingt bewahrheitet, so waren zum Beispiel schon sehr viele Schüler meiner Schule in Deutschland oder konnten mir von Reisen in Europa berichten.
Insgesamt kann ich jedem nur mit Nachdruck empfehlen ein Auslandsjahr zu machen. Dabei spielt es keine große Rolle, ob man in die Staaten geht, ob einem England besser gefällt, oder ob man ein anderes Land der Erde bevorzugt. Auswahl gibt es ja genug und bereuen werdet ihr es sicher nicht!
Text: Benedikt v. Bary am 24.06.08
Red. D. Zink