Impressionen einer Abituraufsicht

Freitag, der 11.5.2012. Vor den Schülern schwitzen die Lehrer: Eröffnung der Abituraufgaben, Kontrolle jeder einzelnen Schülerangabe auf Vollständigkeit, sehr spannend die unbekannten, – aber manchmal auch vorausgeahnten – Themen und Texte, auch diesmal wieder angemessen im Schwierigkeitsgrad, die Raumvorbereitung. Dazu die Fragen: Kommen auch alle zur Prüfung? Hat jeder Prüfungsraum seine Rechtschreibwörterbücher? Wird es in den Räumen auf der Südseite zu warm?

Die Oberstufenbetreuer Frau Gritsch und Herr Diederichs, ganz besonders aber die Koordinatorin Frau Orth, an diesem Freitag auch die Deutschlehrer der Q12, und die Damen vom Sekretariat haben alle Hände voll zu tun, bis es dann pünktlich losgehen kann.

Auf geht’s!

Die Schüler warten seit einer halben Stunde dichtgedrängt im Gang zum D-Trakt, der an den Prüfungstagen in Deutsch und Mathematik für alle anderen Jahrgangsstufen gesperrt ist, um eine ruhige Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Mancher steht allein, blickt konzentriert aus dem Fenster, vermutlich ins Nichts. Anderen ist in Lautstärke und Geschwindigkeit beim Sprechen, an den verkrampften Witzen und dem Stolpern beim Einlass die Aufregung anzumerken. Einer verdrückt vergügt noch eine Wurstsemmel, eine andere würgt an ihrem Müsliriegel. Wer es nicht gewohnt ist, ordentlich zu frühstücken, hat es schwer an Prüfungstagen.

Nachdem sie sich die Q12-Schüler auf ihren jeweiligen Platz in den sieben Räumen begeben haben, beginnen die organisatorischen Ansagen: Mobiltelefone müssen abgeschaltet und bei der Aufsicht deponiert werden, die Prüfungsdauer (8.30 – 13.00) wird noch einmal verkündet. Die Schüler legen ihr Schreibzeug und ihre Notverpflegung bereit.

Die Schulleiterin Frau Hübler besucht alle Räume nacheinander und wünscht allen Kandidatinnen und Kandidaten viel Erfolg… und das ist beileibe keine Floskel, schließlich steht in der Abiturprüfung immer auch zum Teil die Arbeit der Lehrer mit auf dem Prüfstand, selbst wenn es ausschließlich die Schülerleistung ist, die dann benotet wird.

In der vierten Stunde …

Wie im Wetterbericht vorhergesagt ist es warm geworden. In den Prüfungsräumen auf der Sonnenseite des GRG dürfte die Temperatur etwa bei 25° liegen. Die gefühlte Temperatur ist bei den Prüflingen und ihrer Aufsicht deutlich höher. Fenster öffnen! – Der Vorschlag der Schülerin ist abzulehnen, die Luft draußen ist bedeutend wärmer als im Zimmer, wenn auch vermutlich bei höherem Sauerstoffgehalt.

Dann geht es los. Einer der Schüler hat neun verschiedene Lebensmittel um sich herum aufgebaut, die müssen jetzt zum Einsatz kommen: Eine eineinhalb Literflasche Eistee, drei Dosen eines obskuren „Energydrinks“, zwei sorgfältig in Plastikfolie eingewickelte Toastbrot-Sandwiches, eine Packung Kekse, Traubenzucker, einen Schokoriegel, Kaugummi, eine Tüte Bonbons und noch ein Notvorrat an Gummibärchen.

Die Nahrungsaufnahme des einen steckt erst den Prüfungsnachbarn links an, das Zischen einer Dose „Mask“ wird mit Bonbonauswickeln beantwortet. Rechts ein unruhiges Stühlerücken, dann ebenfalls ein Zischen, diesmal kommt es von „Red Bull“. Der Mann mit der Maske wickelt die Sandwiches aus, deren appetitlicher Geruch bis zur Aufsicht vordringt. Die anderen heben konzentriert die Köpfe und bewegen sich, als müssten sie ein lästiges Insekt abschütteln… Dazu noch ein Aufbaupräperat mit xyz-Formel und dort die Blisterpackung mit Tabletten, welche die eigene Konzentration fördern sollen. Immerhin hat keiner eine Chipstüte dabei, es hat sich wohl schon herumgesprochen, dass…

Erfolge der Getränkeindustrie

Abituraufsichten müssen die Kandidaten während der gesamten Zeit beobachten und dürfen sich bei ihrer Tätigkeit nicht ablenken lassen, deshalb ist gelegentlich ein Rundgang durch die Bankreihen erforderlich. Man sieht: auch in diesem Jahr wird die Erschließung und Interpretation lyrischer Texte das Rennen machen, denn die überwiegende Zahl von Schülern bearbeitet das Thema I. Bei der Gelegenheit wird auch ein Blick auf die gesammelten Nahrungsbeiwerke geworfen. Was steht eigentlich auf den Verpackungen?

Um zu beweisen, dass das Essen während der Prüfung das Ergebnis beeinträchtigt, müsste man, wie beim Austreten (Mineralwasser, Eistee, „Energydrinks“!), die genaue Uhrzeit in der Arbeit am Rand vermerken. Da ist es allerdings auffällig: wer die Prüfung unterbrechen muss, riskiert einen Konzentrations- und Leistungseinbruch. Soviel zur Kampagne der Getränkeindustrie, man müsse permanent Flüssigkeit nachlitern, um leistungsfähig zu bleiben.

Manchmal gelingt es der Aufsicht, einem ehemaligen Schüler einen aufmunternden Blick zuzuwerfen, man erinnert sich an den hoffnungsvollen Fünftklässler, die konstruktive Mittelstufenschülerin…

Die letzten Minuten einer Aufsicht sitzt man dann auf glühenden Kohlen und wünscht sich die Ablösung herbei, denn schließlich geht der eigene Unterricht gleich und praktisch ohne Pause weiter. „Red Bull“ und Maskenmann sind wieder zur Arbeit übergegangen und haben heute hoffentlich erreicht, was sie wollten …

Text: D.Zink


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