Eule oder Lerche – wer zwitschert bei dir? Der circadiane Rhythmus molekularbiologisch untersucht

Nie werde ich es vergessen: mitten in der Pubertät, wenn man sein Leben gefühlt überwiegend chillend in der Schule oder alternativ chillend im Bett verbringt, wurde ich jeden Samstagmorgen spätestens um 9 Uhr von einer dröhnenden Stereoanlage aufgeweckt. Während mein innerer Schweinehund schrie, blieb mir nichts anderes übrig, als dem etwas ungewöhnlichen Weckruf meiner Eltern zu folgen. Auch heute rüttelt mich in der Regel Musik wach und selbst die sanften Töne von Lewis Capaldi schaffen es nicht, dass ich Aufwecken als etwas Angenehmes empfinde. Der Unterschied zu früher ist allerdings, dass ich auf der einen Seite vielleicht etwas selbstdisziplinierter geworden bin, auf der anderen die Ursache für meine Wecker-Phobie kenne.
Jeder Mensch hat eine sogenannte innere Uhr, die in den Genen festgeschrieben ist. Ob man also eine sprichwörtliche Eule (ein Spätaufsteher) oder Lerche (Frühaufsteher) ist, kann man zunächst einmal gar nicht beeinflussen. Doch wie funktioniert diese innere Uhr?
Als circadianen Rhythmus bezeichnet man die Fähigkeit eines Organismus, alle Vorgänge im Körper und das Verhalten mit dem 24-Stunden-Rhythmus der Erdumdrehung zu synchronisieren. Das geschieht nicht willentlich, sondern wird übergeordnet von einem kleinen Bereich im Gehirn, dem SCN (Suprachiasmatischer Kern) im Hypothalamus gesteuert. Dieser leitet visuelle Reize wie z.B. blaues Licht (unter anderem morgens beim selbstständigen Erwachen) an den Körper weiter. Dort wiederum gibt es sogenannte Uhren-Gene. Diese können über die Aktivierung durch den SCN abgelesen und in Proteine übersetzt werden. Diese Uhren-Proteine wiederum haben eine ganz besondere Eigenschaft: sie hemmen in einer negativen Rückkopplungs-Schleife das Ablesen ihrer eigenen Bauanleitung (Gene).
Wäre der Kreislauf hier am Ende, gäbe es wohl noch deutlich mehr Wecker-Phobiker auf dieser Welt. Allerdings kommt an dieser Stelle wieder ein sehr intelligentes System zum Einsatz: die Uhren-Proteine werden langsam von Enzymen abgebaut, so dass regelmäßig die Hemmung aufgehoben wird und neue Proteine hergestellt werden können. Dieser Zyklus dauert 24 Stunden und steuert unter anderem über ein Körpertemperaturmaximum kurz vor dem Erwachen unseren Schlaf-Wach-Rhythmus.
So einfach ist es natürlich in einem so komplexen System wie dem menschlichen Körper nicht. Unsere „Vorlieben“ beim Aufstehen sind zwar durchaus in den Genen zu finden, es gibt aber weitere Einflussfaktoren wie beispielsweise den vorgeschriebenen Tagesablauf durch Schule, Arbeit oder Zeitpunkte der Nahrungsaufnahme.
Zurück zu den Uhren-Proteinen: ob der Abbau dieser Eiweiße nun etwas länger oder kürzer dauert, hängt schlicht von der Anzahl an Angriffsstellen für die Enzyme ab. Diese liegen in kurzen, sich wiederholenden DNA-Sequenzen (VNTRs = Variable Number of Tandem Repeats), in deren Anzahl wir Menschen uns unterscheiden. Während Lerchen fünf solcher Angriffsstellen (VNTRs) besitzen, haben Eulen nur vier, bei Ihnen dauert der Abbau länger und sie stehen vereinfacht gesagt deshalb lieber später auf.
Frühaufsteher oder Spätaufsteher? Lerche oder Eule? In einer sehr informativen und unterhaltsamen Fortbildung von Frau Dr. Schöppner und Frau Großbruchhaus konnten die Biologie-Lehrkräfte des GRG, von der FOS und des Viscardi-Gymnasiums am vergangenen Mittwoch ihre eigene DNA (gewonnen aus Mundschleimhautzellen) auf ihre Länge hin untersuchen und herausfinden, ob sie genetisch gesehen eher zu den Langschläfern gehören. Nach einer theoretischen Einführung in den aktuellen Wissenstand des circadianen Rhythmus wurde mit modernster Laborausstattung pipettiert, DNA über PCR-Cycler vervielfältigt und in einer Gelelektrophorese nach der Länge aufgetrennt.

1 Frau Dr. Schöppner von der TUM School of Social Sciences and Technology bei ihrem Vortrag
2 Die winzigen DNA-Mengen müssen mithilfe von Microliterpipetten in kleine Geltaschen einer Elektrophorese-Apparatur pipettiert werden.
3 In einem mini-PCR-Cycler werden die gewonnenen DNA-Proben vervielfältigt.
4 Unter Blaulicht sieht man die DNA-Fragmente leuchten. Zwei Banden sind der Hinweis auf einen Mischtyp, eine einzelne Bande im oberen Bereich für eine Eule.

Das Fazit? Neben zahlreichen Eulen gab es einige Mischtypen und keine einzige Lerche…. vielleicht sollten wir den Zeitpunkt des Unterrichtsbeginns dann doch noch einmal überdenken.

Nina Ostermeier, Fachbetreuung Biologie


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