Grafi, der GRG-Igel

Eine iglige Geschichte unserer Elternbeiratsvorsitzenden, Angelika Brunn:

Gestatten: mein Name ist Rasso. Graf Rasso….
Okay, okay, ich habe es verstanden! Ich bin nicht im Geheimdienst ihrer Majestät, bzw. jetzt seiner Majestät, unterwegs; der Spruch ist – sagen wir mal – ausgeliehen!
Nachdem ich jetzt den Mund wieder voll nehmen kann (und das im doppelten Sinne) wollte ich mich einfach mal bei euch melden und mich auch ganz, ganz herzlich bedanken.
Anfang Oktober war eines Abends bei euch noch richtig viel Licht an und ganz viele Leute sind bei euch reingegangen und wieder rausgekommen. An dem Tag hatte ich wieder besonders großen Hunger und da habe ich mich an eine alte Geschichte erinnert, die man sich bei uns so erzählt. Vor einigen Jahren gab es nämlich einen von uns, der bei euch vorbeigekommen ist und dem man dann richtig gut geholfen hat. Naja, und ich wollte jetzt mal schauen, ob das tatsächlich stimmt, dass ihr so ein großes Herz habt.

Ich bin also losmarschiert und habe dann am Eingang eures riesigen Menschenbaus nach Futter gesucht. Aber, auch da habe ich nix gefunden. Was für eine Enttäuschung. Dabei sind jedoch einige von euch auf mich aufmerksam geworden und eine besonders nette Frau hat mich dann mithilfe ihrer Jeansjacke aufgesammelt. Übrigens, sorry nochmal, dass ich so viele hüpfende Begleiter mit dabeihatte, aber die haben mir auch bestätigt, dass das eine verdammt tolle Jacke war.

Grafi am 10.10.2023 mit 165g

Ehe ich mich versah, kamen auch noch andere große Leute vorbei und zusammen haben die dann wohl überlegt, was man mit mir machen kann. Haben die doch glatt behauptet, dass an mir zu wenig dran ist und dass das so nicht geht. Und schwupps saß ich in einem Pappkarton und wurde von einer anderen netten Frau abgeholt und in eine echte Menschenwohnung gebracht. Mittlerweile weiß ich, dass es absolut wichtig ist, in erfahrene Hände zu kommen. Denn Selbstversuche können sehr, sehr schlecht für uns ausgehen, da es zu viele Falschinformationen zu uns und unserer Pflege gibt. Und da habe ich wirklich verdammtes Glück gehabt, dass ich in eine igelkundige Pflegestelle gekommen bin. Hier wurde ich erstmal gewogen, denn ich hatte gerade einmal ein Gewicht von 165 Gramm und war nicht mehr als eine Handvoll Igel. Also viel zu wenig, um einen Winter zu überstehen. Danach wurde ich langsam auf Temperatur gebracht, denn wenn wir Igel so schwach sind und es draußen so kalt ist, ist es nämlich gar nicht gut, wenn wir gleich was zum Fressen bekommen.

Das mag unser Bäuchlein nicht und wir bekommen elendige Bauchschmerzen. Und nein, wir mögen auch keine Schnecken und Würmer. Das ist praktisch nur ein absoluter Notfallsnack, denn davon bekommen wir ganz ekelhafte Bewohner in uns drin, die so gar nicht gesund sind und das wollt ihr bestimmt nicht näher erklärt haben. Ja, wir Igel haben es echt nicht besonders leicht. Ich will auch nicht allzu sehr jammern, denn damit macht man sich oftmals keine Freunde.

Grafi am 19.10.2023

Doch für uns ist es immens wichtig, dass wir Stachelhäuter ganz viele gute Freunde haben. Es hat sich nämlich viel verändert in den letzten Jahren, leider sehr zum Nachteil für uns! Normalerweise würden wir um diese Jahreszeit ja unseren wohlverdienten Winterschlaf halten. Erst gehen die älteren Igel schlafen und dann wir jüngeren. Doch zu viele von uns sind darauf nicht besonders gut vorbereitet und das betrifft Jung und Alt gleichermaßen. Ein Gewicht von mindestens 600 Gramm, besser noch 700 Gramm, sollten wir Jungigel übrigens schon haben, bevor wir unseren Schönheitsschlaf antreten. Die kleine Fettschicht, die wir uns zulegen müssen, schützt uns nicht nur vor der Kälte; das ist auch unsere „Batterie“, die uns mit Energie versorgt, um alle wichtigen Funktionen aufrechtzuerhalten. Nur haben wir da schon das erste Problem. Es gibt in der freien Natur einfach nicht mehr genug Insekten, um sich ein gutes Polster anzufressen. Lichtverschmutzung durch Dauerbeleuchtung, Überdüngung und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft sind nur einige Gründe, weshalb wir zu wenig Insekten als Futter finden. Ein ähnliches Problem haben übrigens die Feld- und Singvögel. Zudem erschweren uns „cleane“ Gärten ebenso das Leben, wie diese unsäglichen Rasenroboter, die uns zusätzlich oft noch schwere Verletzungen zufügen. Tja, und dadurch, dass die Durchschnittstemperaturen in den vergangenen Jahren nach oben gegangen sind, gibt es meistens einen zweiten Wurf. Das alles bedeutet wiederum im Umkehrschluss, dass wir Herbstigelchen nicht rechtzeitig das benötigte Winterschlafgewicht haben und deshalb draußen umherwandern, auf der Suche nach etwas Nahrhaftem. Dabei verbrennen wir übrigens auch wieder Energie, die wir dringend aufsparen müssten. Ein übler Kreislauf, sag ich euch!
Doch ab und zu gibt es auch Licht am Ende des Tunnels. Und ich habe tatsächlich ein irres Glück gehabt und eine wunderbare Pflegefamilie gefunden. Ohne private Pflegeplätze, Päppelstationen und Igelhilfen würde es nämlich gänzlich mau für uns aussehen.

Dort kümmert man sich ehrenamtlich um uns Stachelgesellinnen und Stachelgesellen. Die Plätze sind jedoch ziemlich knapp. Und auch jetzt, Mitte Dezember, werden noch immer täglich verletzte oder zu schwache Igel aufgefunden. Etwaiges Krabbel- und Springgedöns, wie Zecken und Flöhe, die wir nun mal häufig mittransportieren, werden immer umgehend entfernt. Ich glaub, so viele zusätzliche Bewohner wollt ihr tierlieben Menschen dann irgendwie doch nicht in euren Behausungen haben. 

Grafi am 16.10.2023

Wie ich schon sagte, müssen wir alle ordentlich an Gewicht zulegen. Es gibt zwar Igelfutter zu kaufen, doch die meisten Sorten sind leider nicht wirklich für uns geeignet. Katzenfutter (Kittenpaté) hat sich jedoch bewährt, allerdings immer nur ohne Gelee und Soße sowie diese wahnsinnig leckere Aufzuchtsmilch. Diese spezielle Milch wird übrigens geschüttelt und nicht gerührt (OK, kleiner Scherz am Rande, aber musste jetzt einfach sein). Kleinere Igel, die nicht selbständig fressen können oder wollen, werden alle paar Stunden mithilfe von Pipetten gefüttert. Das musste man übrigens zeitweilig bei mir auch machen, weil ich einfach nicht zugenommen habe.
Naja, und die anderen schmatzen dann schonmal 200 g Katzenpastete über den ganzen Tag verteilt weg. Und ja, wir Igel dürfen beim Essen schmatzen!
Ein besonderes Highlight sind übrigens Soldatenfliegenlarven und Heimchen. Bei dem Gedanken daran, läuft mir gleich das Wasser in meinem Mäulchen zusammen.
Manchmal haben wir leider auch extreme Hautprobleme, weil wir an Milben oder einer Pilzkrankheit leiden. Und dann fallen uns unsere Stacheln aus und wir sehen aus wie kleine Auberginen oder reife Avocados. Aber die Stacheln wachsen im Normalfall ganz schnell wieder nach. Ich habe da auch so meine Problemstellen, aber sagt es nicht weiter. Ist ja auch ein wenig peinlich für so einen Jungspund wie mich, wenn man plötzlich nackig ist. Immerhin gibt es für mich ein Wellnessprogramm vom Feinsten. Panthenolschaum gegen trockene Haut – tolle Erfindung! Wusstet ihr übrigens schon, dass ausgewachsene Igel zwischen 6.000 und 8.000 Stacheln haben? Und diese sind hohl. Die Stacheln sind aber nicht überall, denn wir haben auch Fell, so an den Seiten und am Bauch.

Grafi am 10.11.2023 mit ca. 400 g
Grafi am 10.11.2023 mit ca. 400 g

Und wenn wir schlechte Tage haben, dann können wir richtig unfreundlich werden, schnappen und fauchen. Ja, ja, ja – wir können auch gefährlich; nicht nur immer süß und niedlich. Und dass wir uns zusammenrollen bei Gefahr, ist ja hinlänglich bekannt. Aber seid mal ehrlich: Ist schon eine coole Erfindung von Mutter Natur, nicht wahr?
So lange wir in den Wohnungen sind und gepäppelt und versorgt werden, nehmen wir gerne Zeitungsschnipsel, um uns ein schönes Nestchen zu bauen. Im Außengehege gibt es dann Stroh und Blätter. Zeitungspapier ist da eher doof und ungeeignet, weil es schnell anfängt zu schimmeln. Ich weiß schon, weshalb immer gesagt wird, dass es nichts Schöneres gibt, als einen naturbelassenen Garten mit riesengroßen kuscheligen Blätterhaufen im Herbst, wo wir für unseren Winterschlaf reinkriechen können. Aber ich will mal nicht meckern, wo ich es doch so gut erwischt habe!

Aber wisst ihr was? In „meiner“ Wohnung sind auch noch zwei Igelmädchen. Ich sag es ja: ich habe es echt gut getroffen, obwohl die eine eher eine Kratzbürste ist, obwohl sie gar keine Stacheln mehr hat. Darf man ja eigentlich gar keine Witze drüber machen, verzeiht!
Aber die andere… Eine wahre Schönheit, wie eine Prinzessin. Ich könnte sie stundenlang anschauen. Da hätte ich vor lauter Schwärmerei jetzt aber glatt vergessen zu erwähnen, dass die Pflegestellen immer Unterstützung benötigen und laufend nette Menschen gesucht werden, in deren Gärten wir Igel ausgewildert werden können.

Grafi am 21.11.2023

Denn bevor es dann tatsächlich für uns raus geht, müssen wir erst langsam an die kälteren Temperaturen gewöhnt werden. Somit benötigen wir anfangs nach der Päppelei auch da noch etwas Schutz und Unterstützung. Oh je, schon so spät…. Ich habe gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen ist und ich habe schon wieder viel zu viel geredet. Jetzt ist es aber höchste Zeit für mich ins Bettchen zu gehen. Ich fühle mich schon ganz müde. Euch Menschen wünsche ich nun frohe Festtage und einen guten Start in ein glückliches und gesundes Jahr 2024. Von ganzem Herzen sende ich euch stachelige Grüße und sage nochmals DANKE, dass ihr so aufmerksam gewesen seid und mich gerettet habt.

Wir sehen uns dann in ein paar Monaten wieder. Ich freue mich schon auf euch…

Euer Grafi


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