Königsintrigen in Fürstenfeldbruck

Nichtswürdiger! Du wagst es, meine Worte zu deuten? Deinen eignen blutgen Sinn hineinzulegen?  – Wehe dir, wenn Unglück aus dieser eigenmächtgen Tat erfolgt…
(Friedrich Schiller: Maria Stuart, V. 14, 3982ff.)

Dass Friedrich Schiller jemals in Fürstenfeldbruck war, lässt sich bezweifeln, dennoch – oder gerade deswegen! –  hat sich der Intendant der „Neuen Bühne” Harald Molcher entschlossen das Drama „Maria Stuart” nach Fürstenfeldbruck zu holen. Am Freitag, den 13. April 2007, war die Premiere in dem kleinen Theater, welches in das Kulturzentrum Fürstenfeld integriert wurde.

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Die „Neue Bühne” ist ein Laientheater mit beeindruckenden Aufführungen. Egal ob Kleists „Der Zerbrochene Krug” oder Ayckbourns „Frohe Feste” (original „Absurd Person Singular”), die Inszenierungen sind immer unterschiedlich und erfrischend mit einem Bezug zu aktuellen Themen. In „Der Zerbrochene Krug” wird die aktuelle Diskussion um das Kopftuchverbot und die Problematik der interkulturellen Beziehungen zwischen Moslems und Christen aufgegriffen und geschickt in das Stück Kleists intergeriert. In dem englischen Play „Frohe Feste” aus den 70ern wird ein Rückblick auf die Evolution von der stereotypischen Hausfrau und deren Probleme zur emanzipierten, berufstätigen Frau gewagt. Nicht nur der Bezug zu Aktuellem, sondern auch dessen Darstellung auf der Bühne verdienen Anerkennung. Die Bühne beim Krug wurde sprichwörtlich zugemüllt, um den Zuschauern ein Bild ihrer selbst vorzuhalten. Bei den Festen geht es eher karg zu, da auf Requisiten verzichtet wurde.

Nicht so bei „Maria Stuart”. Requisiten spielen in diesem Theaterstück über die Rivalität zweier verwandter Königinnen keine vordergründige Rolle; dennoch sind sie an den Schlüsselstellen unumgänglich, zum Beispiel als Maria ihr Todesurteil von dem staatsmännischen, Maria hassenden Burleigh (gespielt von Moritz Mann) erhält. Burleigh, mit bürgerlichem Namen Wilhelm Cecil, ist der Großschatzmeister am englischen Königshof. Er ist Königin Elizabeth bedingungslos ergeben, und somit ein Feind der vergeblich nach dem Thron greifenden Maria Stuart. Mann spielt den voreingenommenen Staatsmann mit zu viel Würde und zu wenig Arroganz und Hass. Burleigh trägt einen korrekten schwarzen Nadelstreifenanzug und eine schwarze Fliege – ein klar definiertes Outfit, genauso wie der Charakter es verlangt. Talbot (gespielt von Alfred Adam), der Graf von Shrewsbury, ebenso wie Burleigh und Leicester Mitglied des Staatsrats der Elizabeth, ist sowohl im Original als auch auf der Bühne das gerechte und ausgleichende Element. Adam kann das Gerechte und Weise in einer überaus überzeugenden Art vermitteln – er wäre auch prädestiniert für die Rolle des Nathan. Er ist in ein graues, etwas altmodisches Sakko gekleidet, das jedoch mit seiner Patina passend ist. Leicester (gespielt von Wilhelm Werner), der Dritte im Bunde, ein heimlicher Verehrer der gefangenen Maria, gibt seine Liebe nicht preis und schmeichelt sich nach wie vor bei seiner Königin Elizabeth ein. Er verteidigt seine heimliche Geliebte nicht, sondern unterzeichnet sogar ihr Todesurteil, um vor der Königin Elizabeth staatsmännisch zu taktieren. In der Rolle des devoten Opportunisten kann Werner nur bedingt überzeugen, da er persönlich nicht zu der Rolle passt. Leicester trägt einen navyblauen Blazer, eine rosarote Hose und ein giftgrünes Hemd – ein geschmackloses Outfit zu einer geschmacklosen Rolle.

Maria Stuart wurde im Kindesalter an den französischen Hof zur Erziehung geschickt. Diese Erziehung prägt Maria und ist auch elementar für die Handlung des Stücks aufgrund ihrer unbeschwerten Kindheit und der katholischen Erziehung. Als sie auf den Königsthron von Schottland zurückkehrte, geriet sie in politische Intrigen, da sie ihren Mann umbringen ließ, den Mörder heiratete und zu ihrer entfernten Verwandten Elizabeth, der Königin von England, einer protestantischen Tochter von Heinrich VIII, floh. Diese hieß sie jedoch nicht willkommen, sondern inhaftierte sie, da Maria ihr den Thron streitig machen wollte. Das Theaterstück Schillers setzt nach mehreren Jahren Gefangenschaft ein und begleitet Maria bis zu ihrem Ende. Sie hat zu diesem Zeitpunkt ihre Rivalin Elizabeth noch nicht zu Gesicht bekommen. Elizabeth Emmerich stellt Maria dar. Die im Script starke und selbstbewusste Maria wirkt auf der Bühne trotz ihres geringen Alters sehr authentisch. Die Jungendlichkeit der Schauspielerin ist durchaus passend, obwohl die historische Maria schon ihre besten Jahre hinter sich hatte, als sie inhaftiert war, da sie Marias Attraktivität und ihre Anziehungskraft auf Männer verstärkt. Aus diesem Grund wurde auch das Kostüm passend zur Schauspielerin gewählt: Ein schwarzes bauchfreies Top, eine enganliegende schwarze Designerjeans und große, auffallende Ohrringe. Emmerich tritt sehr selbstbewusst auf und kontert ihren Gegnern mit beeindruckendem Selbstbewusstsein.

Elizabeth (Maria Metzger), die sich selbst als jungfräuliche Königin präsentiert hat, ist, wie auch in Schillers Werk, komplementär zu Maria. Sie wird in der „Neuen Bühne” mit grauer Dauerwelle wie es in den 70ern, 80ern bei älteren feinen Damen mit schweren Perlenketten modern war interpretiert. Metzger scheint mit dem strammen Schritt und der schrillen Stimme geboren zu sein.

Maria wird in Schloss Fotheringhay von Paulet (gespielt von Peter Paul), einem ehrvollen Ritter, bewacht. Paulet, der in Schillers Original sehr ernst und fair ist, tritt auf der Bühne eher verschlafen auf. Man müsste ihm etwas mehr Leben einhauchen. Sein grauer Anzug fördert dies nicht gerade, passt aber generell zum Charakter.

Mortimer (gespielt von Johannes Johansson) ist der jugendliche, heißblütige Verehrer Marias, der ihr zur Flucht verhelfen will. Mortimer ist wie auch im Text jung und voller Elan, jedoch ohne rechten Plan. Interpretiert wird er als cooler Teenanger, mit Schlabberjeans und Schlabberpullover, von der Machart, wie ihm sogar Lehrerinnen nachschauen würden. Überzeugend vermittelt!

Das ganze Lob gilt natürlich nicht zuletzt der Regisseurin, Helga Himmel, die den gut 200 Jahre alten Text Schillers mit Witz und Geschick in die Neuzeit versetzt, vor allem aber, da sie den immer aktuellen Kampf zwischen Jung und Alt durch die beiden Protagonistinnen vortrefflich herausstellt. Himmel, die in ihren Inszenierungen, so auch in dieser, die Bühne von allem Überflüssigem befreit, hat mit den Laienschauspielern ein extravagantes und sehenswertes Theater auf die Beine gestellt. Überzeugen sie sich selbst – noch bis Ende Juni!

Maxi Matschke (Rezensent imaginärer Inszenierungen des Grundkurses Deutsch, S. Orth)

Redaktion: D. Zink


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