„Es steht und fällt ein Volk mit seinen Frauen” (Schiller)
Intrigen, Religionskrieg, Machtgier, verletzte Eitelkeit – mit dieser Verfilmung von Schillers klassischem Drama „Maria Stuart”, welches im Zeitalter von Aufklärung und Revolution verfasst wurde und die Thronstreitigkeiten im absolutistischen England des 16. Jahrhunderts thematisiert, hat sich der Regisseur Heinz Schirk 1986 wohl einem der bekanntesten deutschsprachigen historischen Trauerspiele gewidmet.
Im Machtkampf der beiden so kontrovers angelegten Königinnen Elisabeth und Maria Stuart um die englische Krone, wobei persönliche Feindschaften, Eifersucht, Leidenschaften und Ängste die Menschen antreiben, werden politische Argumente und religiöse Motive vorgeschoben.
Maria Stuart (Anja Kruse), die katholische Königin von Schottland, hält sich für die legitime Anwärterin auf den englischen Thron. Nicht nur deswegen sieht die regierende anglikanische Königin Elisabeth (Daniela Ziegler) in ihr die große Bedrohung ihres Lebens.
In einer Welt, die nicht Platz zu geben scheint für beide, stehen sie sich in einer klassischen Konfliktsituation gegenüber:
Auf der einen Seite Elisabeth, die stolze, eitle und nahezu arrogant wirkende Monarchin, zur Herrschaft begabt und mit einem Willen zur Macht ausgestattet, der sie in die Einsamkeit der Herrschaft treibt.
Und auf der Gegenseite Maria Stuart, von der Natur mit all jenem beschenkt, was Elisabeth abgeht – Schönheit, Jugend, Leichtsinn und Erotik.
Diese unterschiedlichen Eigenschaften werden durch die beiden Protagonistinnen sowohl durch Gestik, Mimik und Körperhaltung als auch durch Rede- und Verhaltensweisen nahezu perfekt verkörpert, da die Rollen ihnen wie auf den Leib geschneidert wirken. Selbst der Altersunterschied scheint mit jenem aus Schillers Stück übereinzustimmen.
Die Unterschiede bezüglich der beiden Frauen beginnen bei Schirk bereits bei der Wahl der Kostüme: Während Maria meist ganz in Schwarz gekleidet ist und ein Kruzifix um den Hals trägt, bevorzugt Elisabeth die Farbe Gold bei ihrer Kleiderwahl, welche ihren Status als rechtmäßige Königin und ihre Machtposition untermauern soll.
Den Wortwechsel zwischen den beiden, bei deren einziger Begegnung im Park, überzieht der Regisseur jedoch unglücklicherweise, indem er ihn in Handgreiflichkeiten ausarten lässt, was die ganze Situation ins Lächerliche zieht. Auch der eigentlichen Intention Schillers, hinsichtlich der Sympathielenkung auf Maria, kommt Schirk in dieser Szene nicht nach. Im Gegenteil wirkt Anja Kruse bei der hysterischen Demütigung Daniela Zieglers geradezu lächerlich.
Zur Ausschaltung ihrer Kontrahentin hat Elisabeth ihre jüngere und von den Männern aufgrund von ihrer unbeschreiblichen Schönheit begehrte Blutsverwandte Maria arretieren lassen und stellt sie mit Hilfe einiger kontroverser Indizienbeweise wegen Hochverrats vor Gericht. Elisabeth, welche in Schirks Interpretation von einem Mitglied ihres Kronrats, Lord Leicester, manipuliert wird und in dieser Situation nicht mehr als starke Königin zu erkennen ist, schreckt aber vor dem letzten Schritt zurück, die Exekution ihrer Blutsverwandten zu unterschreiben, da sie die Wankelmütigkeit ihres Volkes fürchtet.
In einer invertierten Machtwelt sind es hier die Männer, die – ständig am Rande von Rebellion und Bürgerkrieg – um die Gunst der beiden Kontrahentinnen im Zentrum der Macht ringen. Den jungen hitzig und hysterisch reagierenden Mortimer, der verdeckt auf Marias Seite gewechselt ist und bei Schirk zur tragikomischen und geradezu lächerlichen Figur verkommt, treibt seine Besessenheit bezüglicher der Rettung Marias gar in den Selbstmord. Selbst Elisabeths engster und langjähriger Vertrauter und vermeintlicher Geliebter Leicester (Dietrich Mattausch) hat Maria in einem Brief seine Hilfe angeboten und missbraucht so Elisabeths erotische Abhängigkeit schamlos. Seine Rolle als hinterhältiger und kaltherziger Opportunist wird durch Dietrich Mattauschs Interpretation hervorragend vermittelt. Marias entschiedenster Fürsprecher und Verfechter der Gesetzestreue und Barmherzigkeit in der Person von Graf von Shrewsbury wird in Schirks Inszenierung bedauerlicherweise nur geringfügig beachtet. Auch die Figur des Barons von Burleigh, der wohl heftigste Gegner Marias und eiskalt berechnende Vertreter der Staatsraison, wirkt bei Schirk abgeschwächt und eher blass. In ihrem waghalsigen Spiel um Liebe und Verrat werden die Männer zur eigentlichen Gefahr für Maria und deren Leben, woraufhin Maria am Ende hingerichtet wird.
Heinz Schirk hat sich bei seiner klassischen Inszenierung sehr stark an Schillers Werk gehalten, sowohl was die Zeit des Geschehens als auch die Charakterzüge der einzelnen Figuren angeht. Kostüme und prunkvolles Bühnenbild mit Holzvertäfelungen in den Räumen des Schlosses sind wie die Requisiten dem zeitgemäßen Rahmen und den damit verbundenen Lebensverhältnissen am Hof angepasst und selbst die Sprache wurde, von Kürzungen des Textes abgesehen, nahezu unverändert aus Schillers Werk übernommen, auch wenn die Intention des Stücks sicherlich auch auf die Gegenwart übertragbar gewesen wäre.
Gelungen ist die Inszenierung in jedem Fall, auch wenn sie, – trotz der überzeugenden Leistung der Schauspieler -, nicht so einzigartig ist, dass man sie für immer in Erinnerung behalten wird.
Kathrin Mohler
(K. Mohler befasst sich im Grundkurs Deutsch hauptberuflich mit Fernsehinszenierungen, daneben ist sie hauptberuflich auch noch in anderen Fächern aktiv und erfolgreich; Grundkurs S. Orth)
Redaktion: D. Zink